
Hazara
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Das Volk der Hazara lebt nachweislich seit vielen Jahrhunderten in Afghanistan und in Regionen des Iran und Pakistan. Sie machen ein Drittel der afghanischen Bevölkerung aus. Auf Grund ihrer schiitischen Religion und ihrer teilweise turko- mongolischen Abstammung werden sie von Teilen der sunnitischen Mehrheit diskriminiert und verfolgt. Ende des 19. Jahrhunderts wurden 62% der in Afghanistan lebenden Hazara ermordet. Ebenso wurden viele von ihnen 1979 in Gefängnissen ermordet. 1997 töteten die Taliban in Mazar-i-Sharif über 2000 Hazara. Dieses Volk ist konstant Verfolgung, Gefährdung und Benachteiligung ausgesetzt, besonders von den Taliban. Die Selbstmordattentate der letzten Jahre, die in Moscheen, Schulen und öffentlichen Plätzen zahlreiche Opfer forderten richteten sich vorwiegend gegen Hazara.
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Arezo erzählt in ihrer Geschichte aus der Kindheit ihres Vaters. Vor sechs Jahren flohen sie und ihre Familie vor der konstanten Ausgrenzung, Benachteiligung und Verfolgung, welche Hazara auch in Iran erleiden. Seitdem lebt sie mit ihrer Familie in Deutschland.
Die Sonne ging sanft auf und schmolz langsam den Schnee, der unsere schäbige Nachbarschaft die ganze Nacht über wie ein weißer, verschwenderischer Mantel bedeckte.
Der Winterwind wehte und ich konnte das Brennen in meinen Knochen spüren. Das Anziehen in Schichten, um warm zu bleiben, war nicht so hilfreich, wenn das Fehlen einer Heizung so deutlich spürbar war. Aber die einzige Antwort auf Beschwerden in diesem Haus war das übellaunige Gesicht meines Vaters, das er oft aufsetzte, manchmal begleitet von Gegenständen, durch den Raum geworfen und weinenden Gesichtern.
Ich war nicht derjenige, der sich beschwerte, schließlich war ich der Mann des Hauses. Vor einem Monat wurde ich nicht so sehr als Mann betrachtet, niemand fragte nach meiner Meinung, als mein Vater plötzlich anfing, unser Leben in ein paar Koffern zu packen, und sagte: "Ich möchte dieses Land für immer verlassen“ Mit „ich“ meinte er „wir“ und bevor ich seine Worte auffassen konnte, befand ich mich im Iran, ein Land, das, selbst wenn jeder meine Sprache sprach, sich für mich fremd anfühlte.
Heute aber fühlt es sich an, als wäre ich immer noch zu Hause, ist es der Winter oder der Schnee, der sich genauso anfühlt?
Als ich hörte, wie mein Vater sein Morgengebet verrichtete, war es Zeit für mehr Kleidungsschichten. Seit wir in den Iran gekommen sind, musste ich die Schule abbrechen und mich zusammen mit meinem Vater um den Rest der Familie kümmern.
Mit 11 war ich nicht wirklich mit viel Kraft oder besonderen Fähigkeiten ausgestattet. Daher war es wichtig, früh zu sein, früher als andere Arbeiter. Jeden Tag wachten wir bei Sonnenaufgang auf, packten unser Mittagessen, fuhren mit dem Bus zum Platz im Zentrum der Stadt und warteten und warteten.
Nachts versammelten sich die Arbeiter wieder an derselben Ecke und warteten auf den Bus, mit dem einzigen Unterschied, dass ihre müden Augen während der gesamten Heimfahrt auf eine Stelle gerichtet waren.
Ich erinnere mich, dass eines Nachts, als wir alle im Bus saßen, ein Arbeiter versuchte, einen Streit mit meinem Vater zu beginnen. Ich wusste, dass mein Vater immer vorsichtig war, sich nicht in Kämpfe oder Probleme mit der Polizei einzumischen, weil wir in diesem Land nicht legal existierten und jeder Bericht unsere Abschiebung nach Afghanistan bedeuten würde. Diese Nacht war keine Ausnahme, er versuchte, seine Augen zu schließen und so zu tun, als wäre er taub.
Der Mann nannte ihn "Afi", was "Afghane" bedeutete, und fragte ihn: "Kannst du mich mit deinen Mandelaugen überhaupt sehen?", dann ging es in einer Runde weiter und alle machten einen Kommentar: "Warum kehrt ihr Afghanen nicht einfach in eurem Land zurück?" "Wie kannst du nachts schlafen, wenn du uns die Jobs stiehlst?"
Es war weder das erste Mal, dass ich diese Worte hörte, noch das erste Mal, dass ich mich fragte, warum sie sich die Mühe machten zu fragen. War es nicht klar, warum wir hier waren? Dass auch wir eine Familie zu ernähren hatten?
Ich fragte meinen Vater einmal, ob ihn diese Dinge störten, er sagte mir: "Ich wurde als Hazara in meinem eigenen Land diskriminiert, ich erwarte nichts von Fremden."
Ich war nicht alt genug, um seine Worte zu verstehen. Während ich dachte, "Afi" sei nur ein Spitzname für Afghanen, nahm er sich die Diskriminierung und die Ungerechtigkeit zu Herzen.
Eine Woche später passierte derselbe Vorfall, aber diesmal versprach ich mir, dass ich es nicht mehr hinnehmen werde. Wir kamen fast zuhause an, als ein Arbeiter wieder "Afi" rief und eine Geste mit seinen Augen machte. Ich erwiderte und Ich bereue es bis heute noch.
Mein Vater geriet in einen Streit mit 4 Arbeitern. Sie schlugen mit Ziegelsteinen auf ihn ein, er blutete im Gesicht, ich schaute nur zu und weinte. Keine Polizei wurde informiert, es wurde keine Anzeige erstattet. Nach ein paar Tagen im Krankenhaus. gingen wir wieder zur Arbeit, als wäre nie etwas passiert.
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